Bundle: Digitale Bilder in Bewegung

Das Bundle Digitale Bilder in Bewegung stellt zwei Unterrichtskonzepte vor, die einen praktischen visuellen Umgang mit digitalen (Kurz-)Animationen im Kunstunterricht thematisieren. Einerseits durch digital animierte Legetrickanimationen, andererseits durch GIFs, die auf gezeichnetem wie gefundenem digitalen Bildmaterial basieren. Ausgehend vom gemeinsamen Nenner der digitalen Bewegtbilder thematisieren die beiden Beiträge zwei zentrale Themen vorherrschender Bildhierarchien auf Social Media: Erstens Abbildungen der Klimakrise und des Anthropozäns (Zukünftige Landschaften. Ein Stop-Motion Animationsfilm von Lara Caluori) und zweitens aktuelle Darstellungstrends menschlicher Körper (etwas bewegen. Das animierte GIF als Dateiformat und Körper-Bilder von Julia Marx)

Das hier vorliegende Bundle Digitale Bilder in Bewegung widmet sich ganz den bewegten Bildern, hier spezifisch GIFs und Videos, die unsere Kommunikation in digitalen Nachrichtendiensten so viel vielseitiger machen. Im Kontext des Kunstunterrichts stellen sich hier mehrere interessante Fragen: Wie werden diese GIFs und Videos erzeugt? Wo sind sie archiviert? Woher kommen sie historisch? Und schließlich: Wie können wir selbst solche digitalen Bewegtbilder erzeugen? Dieses Bundle thematisiert den Umgang mit Animation, GIFs und Videos im Kunstunterricht. An dieser Stelle bedanken wir uns bei den zwei Autorinnen Laura Caluori und Julia Marx, die sich nicht nur gestalterisch-praktisch mit Video, GIF und Animation auseinandersetzen, sondern diese Bewegtbildpraxen auch noch mit aktuellen Themen der zeitgenössischen Kunstvermittlung verknüpfen: Die beiden vorgestellten Unterrichtskonzepte handeln von fiktiven Zukunftslandschaften und bildnerischen Auseinandersetzungen mit dem menschlichen Körper, die wir mit großer Freude an dieser Stellen mit allen Interessierten teilen.

Im Kontext digitaler Medien und deren Entwicklung wird immer wieder der Popsong „Video Killed the Radio Star“ aus dem Jahr 1980 als Verbildlichung von technologischem Fortschritt und damit verbundenen medialen wie sozialen Veränderungen herangezogen. Mal ganz seriös, etwa in Vorträgen über Distanzlehre, Medien und digitalem Medienhandeln[1]; aber auch in Form von Memes[2] und TikToks, die sich mit dem Tod bekannter Personen und deren Mörder*innen auseinandersetzen[3]. Betrachten wir den Songtext genauer, wird eine eine gute alte Zeit besungen, in der die Musik wohl noch primär über die Ohren konsumiert wurde und die, offensichtlich durch das Aufkommen von Musikvideos, ins Wanken gerät: Die Bilder kamen und haben dein Herz gebrochen und die Verantwortung dafür trägt der VCR – der Videorekorder.

“Oh-a oh-a
I met your children
Oh-a oh-a
What did you tell them?
Video killed the radio star
Video killed the radio star
Pictures came and broke your heart
Oh-a-a-a oh
[…]
In my mind and in my car
We can’t rewind, we’ve gone too far
Pictures came and broke your heart
Put the blame on VCR”[4]

Was kann denn so ein Video schon verbrechen? Oder sind auch andere Medien, neben der Musik, von so drastischen Veränderungen betroffen? Bei der Musik ist es definitiv nicht geblieben. Telefonate wurden in großen Teilen der Alltagskommunikation von SMS bzw. Chatnachrichten ergänzt und in unterschiedlichen Nutzer*innen-Generationen sogar ersetzt (oder zumindest mit allen Mitteln vermieden – die sogenannte phone anxiety)[5]. Phone anxiety, also Angst vor dem Telefonieren, klingt erstmal unpraktisch – ständiges Schreiben, anstelle unmittelbarer Gespräche. Aber ausschließlich textbasiert ist die Kommunikation nicht — „Schreiben“ ist zu einem dehnbaren Begriff geworden und umfasst bekanntlich den beinahe gleichzeitigen Einsatz von Emojis, Fotografien, und seltener Sprachnachrichten (wobei diese in manchen Gruppen mindestens so umstritten sind wie Telefonanrufe) und schließlich die bewegten Bilder – GIFs und Videos.

Im Beitrag Zukünftige Landschaften. Ein Stop-Motion Animationsfilm“ geht es um Ängste und Dystopien jenseits des Telefonierens. In ihrem Beitrag erstellt Lara Caluori gemeinsam mit Teilnehmer*innen kurze digitale Legetrickanimationen, die potenzielle von der Klimakrise und dem Anthropozän gebeutelte Naturlandschaften darstellen. Das Unterrichtskonzept hinterfragt dabei aktiv im Internet, speziell auf Social Media, gängige bildliche Darstellungen von Landschaften, die zwischen computerspielähnlichen Katastrophenszenarien, zeitgenössischen Dokumentarfotografien brennender Wälder und überfluteter Städte und hochästhetisierten Urlaubsaufnahmen von Influencer*innen changieren. Die mit der App Stop Motion erstellten Animationen setzen sich kritisch mit digitalen visuellen Bildnarrativen des Klimawandels auseinander und vermitteln so praktische wie theoretische Bildkompetenz im Kontext des Anthropozäns.

Das Konzept etwas bewegen“ dreht sich um die beliebte Form der digitalen Kürzestanimation — das GIF. Dieses ergänzt digitale geschrieben Kommunikation visuell und vermittelt Emotionen in sehr heruntergebrochener und niederschwelliger Form. Die Unterrichtseinheit von Julia Marx verwendet das Alltagsmedium GIF konkret, um die digitale Darstellung (menschlicher) Körper künstlerisch zu untersuchen. Dabei werden auf Social Media vorherrschende Körperdarstellungen und damit verbundene (vermeintliche) Ideale kritisch hinterfragt und mit aktuellen feministischen künstlerischen Positionen gegengelesen und erweitert.

Wir freuen uns sehr über dieses Bundle und die tollen Beiträge der beiden Autorinnen Lara Caluori und Julia Marx. Wir hoffen, diese Konzepte können einen Beitrag zur schulischen Auseinandersetzung mit digitalen Bewegtbildern leisten: Das Bundle ist uns wichtig, denn das Handeln mit gefundenen Internetbildern, damit einhergehendes Hinterfragen gängiger Bildregime (siehe Rogoff 2002) aber auch die praktische Auseinandersetzung in Form von niederschwelliger Bewegtbildproduktion und DIY Storytelling im Mikroformat sind zentrale Teile gegenwärtiger Alltagskulturen.

Herausgeber*innen des Bundles sind Sophie Lingg und Helena Schmidt:
Sophie Lingg und Helena Schmidt leben in Wien und arbeiten am Fachbereich Kunst und Bildung der Akademie der bildenden Künste Wien. Beide promovieren bei Elke Krasny, wobei Helena in den letzten Zügen ihrer Dissertation ist und Sophie mitten drin. Helena hat ihre Promotion zum Bildbegriff sogenannter „poor images“ (nach Hito Steyerl) 2021 eingereicht, Sophie beschäftigt sich aus mit Fragen nach aktivistischen und künstlerischen Produktions- und Arbeitsbedingungen auf Social Media. Gemeinsam leiten sie die Vermittlung der Vienna Design Week und haben das 18. eJournal der SFKP gemeinsam herausgebracht.

Beiträger*innen des Bundles sind Lara Caluori und Julia Marx:
Lara Caluori ist Studentin am Master Art Education an der Hochschule der Künste Bern. Daneben arbeitet sie als studentische Assistentin für das Vizerekorat Forschung an der BFH und unterrichtet an diversen Schulen. Arbeitsschwerpunkte sind künstlerisch-forschende Begegnungen zwischen Kunst, Naturwissenschaften und Vermittlung. Seit längerer Zeit arbeitet sie an einem Projekt zu Pilzen und dem Anthropozän.

Julia Marx lebt und arbeitet als Künstlerin und Lehrerin, Helikoptermama und Hobby-Gärtnerin. Nach ihrem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, schloss sie den Lehrgang zur kuratorischen Praxis am MAGASIN CNAC in Grenoble ab. Sie erhielt 2012 das Staatsstipendium für bildende Kunst des BMUKK und 2015 den H13 Performancekunst-Preis des Kunstraum Niederoesterreich. Seit 2016 unterrichtet Marx am BG BRG Stockerau und studiert am Institut für das künstlerische Lehramt in Wien. https://juliamarx.at

 

[1] Vincenzo Estremo „How Not To Let Video Kill Radio Star”, vorgetragen an der HKB am 17.3.2021 im Rahmen der Vortragsreihe #DIDAKTIK.
[2] Das “Video Killed the Radio Star Meme” ist ein Image Macro, das über die Todesursache von Celebrities spekuliert
[3] Ein TikTok-Trend beschäftigt sich mit Verschwörungstheorien rund um die mysteriösesten historischen Todesfälle von Prominenten
[4] Der gesamte Songtext von The Buggles
[5] Über “phone anxiety”, oder die Angst, telefonieren zu müssen

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