Me(me), Myself and I

Der Beitrag fokussiert das Bildphänomen der sogenannten Art-Memes und den Umgang mit ihnen. Innerhalb des Aufgabenformats können Teilnehmende lernen, sich des (ästhetischen) Formats des Memes zu bedienen und ihren alltäglichen Bildgebrauch zu reflektieren. Dabei sind Vertiefungen in die Kunstgeschichte sowie fächerübergreifende Verbindungen zu Bild-Text-Relationen oder politischer Bildung erwünscht und ausbaubar.

Was ist ein Meme? Digitale Bilder zirkulieren weltweit auf Smartphones, Computern und Tablets. Die Bilder bleiben dabei nicht gleich, sondern verändern sich – sowohl, in dem sie geteilt (sharing), kopiert (copy) als auch (wieder-)eingefügt (paste) werden. So wird ganz ohne Expert*innenwissen selbstverständlich mit digitalen Bildern gehandelt. Details werden hervorgehoben, weggelassen und neue Kontexte ein- oder hinzugefügt. Als „Meme“ (eigentlich Internet-Meme) wird umgangssprachlich eine digitale (ggf. bewegte) Bildform bezeichnet, die häufig in Kombination mit kurzen Texten als ein humorvoller Kommentar zu zeitgenössischen Ereignissen verwendet wird. Begrifflich aus der Evolutionsbiologie abgeleitet (Shifman 2014), ist das sogenannte „Internet-Meme“ ein Bildphänomen, das einfach kopiert werden kann und in verschiedensten Abwandlungen im Internet Verbreitung findet. Besonders bekannt ist das „Image Macro”. Es besteht aus einem Bild im Hintergrund, auf das ein kurzer Text am oberen und unteren Bildrand gelegt wird (siehe hier). Die Schriftart „Impact” ist dabei charakteristisch. Bei der Betrachtung solcher Memes fällt auf, dass einige Bilder – mit verschiedenen Texten versehen – in unterschiedlichsten kulturellen Kontexten Anwendung finden, wie z.B. „Woman Yelling at a Cat” (siehe hier). Durch das Hinzufügen von Texten und/oder Details entstehen jeweils völlig neue Bedeutungszusammenhänge. Oft sind der Ursprung eines solchen Bildes und der Verlauf dessen Bearbeitungen nicht mehr nachvollziehbar, da das Ursprungsbild nicht mehr auffindbar ist oder Links bzw. Websites gelöscht wurden, die als Quellen fungiert haben. Diese Tatsache stellt die für die Kunstgeschichte lange zentralen Vorstellungen von „Original” und „Kopie” infrage und lässt deren Bedeutung beim Umgang mit Memes in den Hintergrund rücken. Die Medienwissenschaftlerin Limor Shifman etwa unterscheidet bei der Bildpraxis mit Memes zwei Formen: Zum einen die „mimicry”, also das Nachstellen eines bereits vorhandenen Memes, zum anderen den „remix”, die Veränderung eines bestehenden Bildes, welches wiederum weiter verschickt oder online gestellt wird (Jenkins/Shifman 2014). An die zweite Tendenz knüpft der Workshop an.

Memes sind Teil der Gegenwart und Lebenswelt vieler Jugendlicher. Mit Franz Billmayer (2007) gehen wir davon aus, dass für viele Schüler*innen „Kunst der Sonderfall ist”. Der hier vorgeschlagene Workshop schlägt eine Brücke zwischen dem kreativen Umgang mit Bildern, die im Alltag Wirkung haben, und dem Erlernen einer Bildkompetenz im Sinne einer Auseinandersetzung mit der Art und Weise von bildlichen Darstellungen. Aspekte der Medialität und Gestaltung werden ebenso adressiert wie jene des Bildumgangs, der Bildwirkungen und -Rezeption. Da sich Memes häufig aus Text und Bild zusammensetzen, ist die Möglichkeit des fächerübergreifenden Unterrichtens etwa im Deutschunterricht oder in der Politischen Bildung naheliegend. Memes werden allerdings nicht nur von Jugendlichen verwendet, und auch nicht nur zum Spaß. So werden sie z.B. auch für politische Zwecke bis hin zur Propaganda eingesetzt (Lingg/Schmidt 2020). Darüber hinaus gibt es aktivistische Meme-Accounts, die das Bildphänomen bewusst zur Vermittlung feministischer, antirassistischer und intersektionaler Inhalte einsetzen (@ibiza_austrian_memes, @feministmemeschool, @austriainanutshell). Memes beziehen sich auch auf ihre eigene Medialität, bzw. die techno-sozialen Bedingungen unserer Gegenwart (vgl. Schütze 2020) – davon berichtet z.B. dieses selbstreflexive Meme hier.

Ausgehend von diesen Beobachtungen wurde der Workshop „Me(me), Myself and I” entwickelt, um einen Um- und Zugang zu Art-Memes für den Kunstunterricht aufzubereiten. Art-Memes sind eine Sonderform der Memes. Sie basieren auf Kunstwerken (häufig der klassischen Malerei). Ein Beispiel dafür ist etwa die Mona Lisa (siehe Monday Lisa). In diesem Bildphänomen tauchen Ikonen der Kunstgeschichte, aber auch weniger bekannte Werke, im Internet als Gegenstände der Alltagskommunikation auf – losgelöst von ihrem ursprünglichen Kontext, häufig ausschnitthaft oder collagiert und zumeist ohne jegliche Quelleninformationen. Zahlreiche Blogs, Facebook-, twitter- und Instagram-Seiten widmen sich ausschließlich solchen Art-Memes (@classicalartmemes, @classicalartshit, @textsfromyourexistentialist, @PGexplaining).

Ein wichtiges Ziel des Kunstunterrichts ist, künstlerisch-gestalterische Medienkompetenzen zu erlangen. So steht es in den Richtlinien der zu entwickelnden Methoden- und Handlungskompetenzen für Schüler*innen, beispielsweise im Berner Lehrplan, im Kontext der Grobziele: „Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technologien erproben”. Außerdem wird dort das Ziel „Den Gebrauch sozialer Medien [zu] reflektieren” methodisch gefasst als „Bilder als Rohstoff begreifen (Remix, Sampling, Hacking) kopieren, montieren, transformieren, intervenieren, umdeuten, umgestalten” (Lehrplan Kanton Bern 2017). Wenn es darum gehen soll, einen emanzipatorischen Bildgebrauch zu lehren, bei dem Bildwelten und das eigene Bildhandeln reflektiert werden können, eignet sich das Meme exemplarisch als Teil digitaler Bildpraktiken. Zugleich eröffnet sich hier eine Möglichkeit, über Qualitäten und Lesbarkeit, aber auch über die Vieldeutigkeit von Bildern zu sprechen, ohne den klassischen Zugang der Bildanalyse zu wählen. Denn ob ein Meme funktioniert oder eher nicht, können die Schüler*innen aufgrund ihrer Expertise im alltäglichen Bildumgang sehr gut beurteilen. Ob sie es weiter teilen würden oder eher nicht, kann bereits ein Ausgangspunkt sein, um die Qualität des Ergebnisses zu evaluieren (z.B. Text-Bildbezug, Textaussage, Humor). Weiterhin wird ein Bezug zu den Lebenswelten der Teilnehmenden hergestellt, der sich nicht darin erschöpft, dass ihnen bekannte Bildformen zum Einsatz kommen. Vielmehr geht es für die Teilnehmenden darum, sich selbst auch als Produzent*innen gegenwärtiger Bildwelten zu begreifen (vgl. Kolb 2012).

Vorbereitung:
2er-, 3er-Gruppen bilden; Laptop, Tablet, Smartphone mit Internetzugang bereithalten, ggf. Meme Maker App bereits installieren lassen, gemeinsamen Instagram Account bereitstellen, Zugangscode kommunizieren und einen Probe-Post mit einem Art-Meme anlegen.

Aufgabenstellung 1: Art-Memes Recherchieren

Recherchiere besonders erfolgreiche Art-Memes. Wie sind diese gemacht? Worin besteht der Humor? Welche Bilder werden verwendet, welche eignen sich und warum?

Aufgabenstellung 2: Ideen skizzieren und Art-Meme erstellen

Erstelle ein oder mehrere Art-Memes. Achte dabei darauf, eine künstlerische Arbeit als visuelle Grundlage zu verwenden. Teste, wenn möglich, die Wirkung/das Verständnis von Text und Bild. Lade das Ergebnis/die Ergebnisse auf den gemeinsamen Instagram-Account. Achte bitte darauf, folgende Angaben zu machen:

→ Quellenangaben zum Bild
→ passende Hashtags
→ eventuell Kurztext als Ergänzung (dies könnte auch eine gesonderte Lektion/Input sein, in Kombination mit einem Sprachenfach)

Aufgabenstellung 3:

Besprechen Sie in 2er- bis 3er-Gruppen:

→ Welche Bezüge lassen sich zwischen den einzelnen Memes herstellen (formal, historisch, inhaltlich, …)?
→ Ist das Meme lesbar für andere?
→ Für wen ist es lesbar?
→ Was lerne ich über Bildkonventionen (damals/heute)?

Das hier vorgeschlagene Setting basiert auf dem 90-minütigen Weiterbildungsworkshop für Lehrpersonen „Me(me), myself and I“ und kann auf Kunstunterricht in der Oberstufe oder Formate in der Erwachsenenbildung übertragen werden. Das im Text zuvor beschriebene Handlungspotenzial des Memes wird innerhalb des Settings durch das Herstellen, Kontextualisieren und Veröffentlichen von Art-Memes fruchtbar gemacht.

Nach einem kurzen Input zum Art-Meme als Bildphänomen der Gegenwart durch die Lehrperson bilden sich 2er- oder 3er-Teams, die bestehende Art-Memes recherchieren. Dabei wird (1) zur Inspiration eine kleine Bildersammlung angelegt, (2) der Aufbau und Inhalt der Memes besprochen und (3) werden Bildstrategien von Art-Memes verglichen (10 Minuten). Zu den Analysekategorien gehören dabei Komposition, Bildwirkung, Verständlichkeit des Humors sowie Text-Bildbezug (auch in den dazu gehörenden Hashtags). (4) In einem nächsten Schritt skizzieren die Teams innerhalb von 30 Minuten Ideen für eigene Memes. Dabei verwenden sie Bilder von Kunstwerken, die sie online recherchiert haben, sowie eigens für die Memes erstellte Fotografien oder digitale Collagen. Durch die Gruppenarbeit können sich die Schüler*innen direktes Feedback auf Bild, Bildausschnitt, Komposition und Text geben und so zu einer stimmigen Bildaussage kommen. (5) Dann werden die Bilder im Stil des Image-Macros mit einer Meme-App, einem Meme-Maker im Browser oder eigenen Bildbearbeitungsprogrammen (z.B. Photoshop) mit Text versehen. Hierbei achtet die Gruppe erneut auf die inhaltliche Passung zwischen Bild und Text. (6) Die so erstellten Image Macros werden dann von den Gruppen auf einen zuvor eingerichteten Instagram-Account geladen, wobei es nun vor dem Hintergrund der Kunstvermittlung wichtig ist, diese mit Quellenangaben, Beitext und Hashtags zu versehen. (Textergänzungen in Form von Hashtags könnten zudem optional in einem gesonderten Input, auch in Verbindung etwa mit dem Deutschunterricht, behandelt werden.) Ebenso ist es möglich, die Ergebnisse in einem Word-Dokument zu sammeln und vor der Klasse zu zeigen, wobei das weitere Teilen der Image Macros als Teil der Praxis von Memes zu verstehen ist. Abschließend kommen die Gruppen wiederum im Plenum zusammen, um gemeinsam die Ergebnisse zu besprechen. Dabei werden Bezüge zwischen den einzelnen Ergebnissen hergestellt und herausgearbeitet. Fragen können sein: Welche Memes sind für spezifische Betrachter*innen lesbar oder auch nicht? Was gibt es für Bildkonventionen (im kunsthistorischen Kontext und heute)? Welche Qualitäten haben Bilder, die als Art-Memes verbreitet werden? Was ist die Qualität von Humor – und wo gibt es Grenzen? Welche visuellen, welche gesellschaftlichen Kenntnisse werden beim Lesen und Verstehen von Memes vorausgesetzt?

Reflexion
Eine Erkenntnis der Workshopteilnehmenden war, dass es gar nicht so einfach ist, ein humorvolles und für ein breites Publikum lesbares Meme herzustellen. Aufgrund ihrer teils qualitativ nicht hochwertigen Auflösung werden Memes einerseits oft nicht als „richtiges” oder „reiches” Bildformat wahrgenommen (vgl. Schmidt 2019). Dass es im konkreten Fall aber andererseits gar nicht so einfach ist, Bild und Text zu einer Pointe zu kombinieren, ermöglicht Wertschätzung für eine aktuelle Bildpraxis. Oft entstand darüber hinaus auch ein Interesse für das verwendete Bild, dessen Herkunft und weitere Lesarten – ein guter Ausgangspunkt, um sich mit Kunstgeschichte zu befassen. Die Beispiele zeigen weiterhin, dass nicht nur die aktuelle gesellschaftspolitische Situation eine Folie für die entstandenen Memes bildet, sondern dies auch Bilder tun, die in völlig anderen zeitgeschichtlichen Kontexten und mit anderen Zielen entstanden sind. So bietet das Machen von Memes als zeitgenössische, digitale Bildpraxis die Möglichkeit, sowohl heutige wie auch vergangene Bildkonventionen zu diskutieren und miteinander in Kontext zu setzen. Wie lese ich ein Bild unter welchen Umständen? Welcher Unterschied besteht darin, eine Malerei im Museum bzw. als Ausschnitt am Bildschirm zu rezipieren? Was lernen wir dabei über Sehgewohnheiten und Blickregime? Und warum werden gewisse Bildformen und Bildpraxen als „oberflächlich” und „wertlos” wahrgenommen? All diese Fragen kommen in der Auseinandersetzung mit den Art-Memes auf und können nicht nur für Schüler*innen, sondern auch für Lehrende einen Einstieg bilden in ein Feld, das auf den ersten Blick fremd oder schnelllebig — oder im Fall der Lernenden vielleicht auch allzu familiär — wirken mag. Durch ihre Aktualität und den oft humorvollen Inhalt haben Memes das Potential, auch als Kritik an bestehenden Situationen verwendet zu werden. Dies zeigte sich im Workshop bei einigen Ergebnissen, die auf aktuelle politische, aber auch berufliche Situationen Bezug nahmen. So trafen ganz verschiedene Formen von Bildkompetenz und Bild- wie kunsthistorischem Wissen aufeinander, die sich im Handeln mit dem Bild neu situieren und zu alternativen kunstpädagogischen Zugängen und Erkenntnissen führen können.

  • Digitale Ausgabegeräte mit Internetanschluss und Ladegeräten (Smartphone, Tablet, Laptop) für mindestens ⅓ der Gruppengröße
  • WLAN / Netzzugang für die Geräte

Weitere Beispielergebnisse auf der Instagramseite @poorimagearteducation

Literatur

Max. Teilnehmer

30

Dauer

90 Minuten min

Benötigtes Vorwissen

Je nach Alter und Mediennutzung der Gruppe sollte die Nutzung von Memes und Meme-Maker-Apps ausführlicher oder kürzer erklärt werden. Außerdem können Definition und Geschichte der Memes gemeinsam recherchiert und behandelt werden. Beispielsweise hier: https://www.digitaltrends.com/computing/what-is-a-meme/

Erster Einsatzkontext

Social