The CopyPaste-Machine

Bilder, Texte, Videos, Audios – Inhalte und Daten zirkulieren in verschiedensten Formaten im Internet. Welche Potentiale bieten sie für die Lehre und den Austausch in Gestaltungsfragen?

Die CopyPaste-Machine entwirft ein Lernszenario für eine Kleingruppe. Sie nimmt ein Arbeitsblatt und eine Kopier-Anleitung zum Ausgangspunkt für (Kunst-)Unterricht. Durch die Bearbeitung der einzelnen Arbeitsschritte entstehen wie von selbst, also wie mit einer automatisierten Maschine, neue Bildideen. Als Werkzeug aus Papier konzipiert, bietet dieses Setting eine Gelegenheit, viel über grundlegende Eigenschaften von Digitalität zu lernen. Gleichzeitig dient sie als Kreativitätstool, denn durch die Arbeit mit der Maschine generieren sich beständig neue Bildinhalte, die entweder ganz für sich stehen können oder als Skizzen für weitere Gestaltungsanlässe genutzt werden können.

Seit der ubiquitären Verbreitung von Digitaltechnologien spätestens durch das Internet ist Copy&Pasten eine wesentliche Strategie medialen Handelns. Der kreative Umgang mit bestehendem (Bild-)Material lässt sich nach Nicolas Bourriaud (2002) als Postproduction beschreiben. Künstler*innen stellen nicht nur Bilder her, sie benutzen, kopieren und verfremden bereits vorhandenes kulturelles Material. Mash-ups, Remixes, Memes etc. sind nicht nur Teil von Verfahren der medialen Produktion, sondern bedingen diese auch. Damit werden traditionelle Unterscheidungen zwischen Produktion und Rezeption, Kreation und Kopie in Frage gestellt. Bilder existieren nicht mehr als Einzelbilder (vgl. Schütze 2020); sie bestehen in und durch Referenzsysteme und konstruieren sich durch diese. Felix Stalder (2016) beschreibt Referentialität, die sich aus der Nutzung bestehenden kulturellen Materials für die eigene Produktion ergibt, als spezifische Form des Ausdrucks und des Austauschs in einer durch das Internet komplex gewordenen »Kultur der Digitalität«.

Der hier angedeutete Umgang mit vorhandenem Material lässt sich anhand der Praxis verschiedener Künstler*innen und Künstler*innenkollektive veranschaulichen. In historischer Dimension lässt sich z.B. auf Künstler*innen der Appropriation Art wie Richard Prince oder Andrea Fraser zurückgreifen. Mit der ubiquitären Verbreitung und Verfügbarkeit von Bildern seit dem Internet lässt sich jedoch eine um ein Vielfaches verdichtete und beschleunigte Qualität von Copy&Paste-Strategien feststellen, auch hinsichtlich einer Verflechtung von Kunst und Popkultur. Neil Beloufa beispielsweise verwendet für sein Ausstellungsprojekt Der Feind meines Feindes Materialien anderer Künstler*innen wie z.B. von Hito Steyerl – Zeitungsartikel, Videoschnipsel u.v.m. – und vereint diese im Ausstellungsraum. Die Sängerin Lady Gaga sorgt 2010 bei den MTV Video Music Awards für Furore, weil sie ein Kleid aus rohem Rindfleisch trägt. Damit referiert sie auf Jana Sterbaks Arbeit Flesh Dress for an Albino Anorexic von 1987. Fotos von Lady Gagas Auftritt zirkulieren wiederum im Internet und bieten Anlass für einen breiteren Umgang mit dem Bildmaterial. Und schon erwähnter Richard Prince nimmt 2015 Porträts von Menschen auf Instagram, die er, mit allen relevanten rahmenden Daten, großformatig abzieht und in den Kunstraum überführt. Auch im Bereich der Memekultur (vgl. Shifman 2014) lassen sich unzählige weitere Beispiele finden, die die allgegenwärtige Nutzung und Umnutzung von Bildern im Internet illustrieren. Memes – verstanden als Bilder, Videos und Handlungen, die sich in verschiedenen Versionen schnell im Internet verbreiten – können im Unterricht als Beispiele dienen, um Bildverbreitungsmechanismen im Internet aus der Popkultur thematisch zu vertiefen.

Die CopyPaste-Machine besteht aus zwei Arbeitsblättern, die auf A3 (und wenn möglich in Farbe) ausgedruckt werden sollen. Die erste Seite ist das konkrete Arbeitsmaterial, die zweite Seite ist eine Anleitung (Betriebsanleitung), in der die einzelnen Schritte aufgeführt sind. Die Schüler*innen können damit alle Arbeitsschritte eigenständig ausführen. Die Betriebsanleitung ist wiederverwendbar. Daher bietet es sich an, diese auf Karton aufzuziehen.

Hier nun der exemplarische Ablauf in Form einer Betriebsanleitung für die Lehrperson:
Der gesamte Prozess besteht aus zwei Arbeitsphasen. Deswegen wird die erste Seite (Arbeitsmaterial) je Gruppe 2x benötigt. Die Schüler*innen arbeiten in Kleingruppen (optimal sind 3er-Gruppen) zusammen.

Neben den Arbeitsblättern werden je Kleingruppe noch folgende Werkzeuge und Materialien benötigt:

  • ein internetfähiges Endgerät
  • Bunt-/Filzstifte
  • eine Schere
  • ein A4-Blatt
  • ein Briefumschlag

Runde 1:
In der ersten Arbeitsphase soll sich jede*r Schüler*in einen Begriff ausdenken, der ihn/sie interessiert. Hilfestellung hierfür kann das vorherige Sammeln von Wörtern anhand einer allgemeinen Frage wie „Was habt ihr gestern erlebt, das ihr besonders interessant/spannend/schön/… fandet?“ bieten. Alle Begriffe der Schüler*innen einer Kleingruppe werden dann auf den Geräten der Schüler*innen in das Suchfeld der Google-Bildersuche (oder einer anderen Suchmaschine) eingegeben.

Jetzt beginnt das Experiment. Die Schüler*innen sehen nun, welche Bilder zu ihren gemeinsamen Begriffen angezeigt werden. Aus den Ergebnissen soll sich jede*r Einzelne ein Bild aussuchen und es auf dem Arbeitsblatt skizzieren. Hier geht es nicht um das zeichnerische Können der Schüler*innen, sondern um das Erfassen der grundlegenden Form. Es können schematische Zeichnungen entstehen, Konturen, Symbole oder auch Strichmännchen und Zeichenkolonnen (z.B. <3). Eine Hilfestellung könnte sein, die Bilder vom Device auf das Papier abzupausen, oder vorab eine Einheit zum Konturieren abzuhalten (vgl. Beitrag Helena Björk).
Nach diesem Schritt folgt eine Entscheidungsphase. Die Schüler*innen beschreiben sich ihre Zeichnungen gegenseitig und einigen sich auf die wichtigsten Elemente. Dazu formulieren und notieren sie so viele Hashtags wie möglich.
Im nächsten Schritt arbeiten die Schüler*innen einzeln weiter. Sie entscheiden sich jeweils für fünf ihrer Hashtags und geben diese wieder in das Suchfeld der Suchmaschine ein. Die Suchergebnisse werden vermutlich andere sein, als beim ersten Suchlauf. Auch hier ist eine Wahl für ein Bild zu treffen. Die Auswahl wird nun im entsprechenden Feld auf dem A4-Blatt skizziert, gepaust oder abgezeichnet. Die fertige Zeichnung wird wiederum mit Hashtags versehen.
Das Ergebnis dann gefaltet und in einen Briefumschlag gesteckt.

Runde 2 (optional):
In der zweiten Runde wird der Ablauf wiederholt. Die einzugebenden Begriffe sind nun aber nicht frei gewählt, sondern die Hashtags, die am Ende der ersten Runde entstanden sind.

Die CopyPaste-Machine ist prinzipiell in allen Schulstufen und Schulformen durchführbar. Der Klassen-/Gruppenstruktur entsprechend sind Anpassungen einzelner Schritte möglich. Hier folgen einige erste Anstöße:

  • Ist der Text auf dem Arbeitsblatt zu klein gesetzt, kann es helfen, das Blatt groß an die Wand zu projizieren. Außerdem wird in Kürze eine Blanko-Version der Arbeitsblätter zur Verfügung gestellt werden, in der die Arbeitsanweisungen in einfacherer Sprache von der Lehrkraft angepasst werden können.
  • Wenn die CopyPaste-Machine nicht eigenständig durchgeführt werden kann, können die Arbeitsphasen einzeln moderiert werden. Eine zeitliche Einteilung und ein für alle sichtbarer Countdown (z.B. YouTube-Countdown über Beamer) können hier hilfreich sein.
  • Wenn das Finden von Begriffen aufgrund einer anderen Erstsprache als der deutschen zu Schwierigkeiten führt, kann entweder jede andere Erstsprache verwendet oder aber ein Übersetzungstool wie Google Translate eingeführt werden.
  • Differenzierung für Runde 1, Bildfindung: Eine Hilfestellung könnte sein, die Bilder vom Device auf das Papier abzupausen oder vorab eine Einheit zum Konturieren abzuhalten.
  • Differenzierung für Runde 1, Wortfindung/Hashtags: Sprachlich kann diese Phase durch Hilfestellungen in Form von beispielhaften Formulierungen zur Beschreibung ergänzt werden. Denkbar ist auch die Unterstützung durch ein regelmäßiges Kartenset für »Punkte, auf die ich bei der Beschreibung achten kann«.

Die CopyPaste-Machine ist flexibel einsetzbar. Sie kann ohne Vorkenntnisse und Einführung in die Thematik durchgeführt werden. Es empfiehlt sich folgender Ablauf:

Einstieg (ca. 15 Minuten):
Der Prozess beginnt mit einem kurzen thematischen Einstieg anhand von Beispielen zum Copy&Pasten aus Kunst und Popkultur. Der Einstieg kann auch als Quiz organisiert sein, oder/und mit einer offenen Fragerunde enden: Wer ist die Künstler*in? Wer hat was gemacht? Was genau ist das Werk? Wer der/die Autor*in?

Bilden von Arbeitsgruppen (ca. 5 Minuten):
Die Gruppe wird in Kleingruppen von 2-3 Personen aufgeteilt. Jede Arbeitsgruppe sollte dabei an einem Tisch sitzen. Die Gruppenwahl kann auf Basis der gewählten Begriffe stattfinden oder nach Neigung bezogen auf eines der Beispiele aus der Einführung.

Verteilen der Materialien (ca. 3 Minuten):
Jede Arbeitsgruppe erhält nun 2 Arbeitsblätter und eine Betriebsanleitung sowie Stifte, Schere, Klebestift, A4-Papier und einen Briefumschlag. Internetfähige Geräte sind hierbei notwendig.

Erarbeitungsphase (ca. 30 Minuten):
Die Arbeitsgruppen arbeiten nun eigenständig an der CopyPaste-Machine. In der Betriebsanleitung sind die einzelnen Schritte erklärt. Bei jüngeren Schüler*innen oder Teilnehmer*innen ist es ratsam, die Betriebsanleitung vorher einmal gemeinsam durchzugehen (ca. 5 Minuten) oder die Phasen im ersten Durchgang einzeln anzumoderieren.

Abschluss und Reflexion (ca. 15 Minuten/flexibel):
Die Arbeitsergebnisse der CopyPaste-Machine werden am Ende in Umschläge gesteckt und bleiben damit unsichtbar. Zum Abschluss können einzelne Ergebnisse gezeigt werden.
Zur Ergebnissicherung kann am Ende über die Prozesse innerhalb der einzelnen Gruppen gesprochen werden. Zum Beispiel: Wovon sind die einzelnen Gruppen ausgegangen? Was waren ihre Ergebnisse? Was haben sie beobachtet? Gab es etwas, das unerwartet war? Womit haben sie gerechnet und womit nicht? Welche Probleme sind aufgetaucht?

 

Ergebnisse, Illustrationen, künstlerische Arbeiten etc.

  • Die Ergebnisse der CopyPaste-Machine variieren stark, je nach Alter und Vorkenntnissen der Schüler*innen. Da die Ergebnisse gemäß Anleitung geheim bleiben, sind hier keine Darstellungen verfügbar. Allerdings ist vorstellbar, die Ergebnisse im Klassenraum aufzuhängen und als Gesprächsanlass für die gemeinsame Reflexion der Unterrichtseinheit zu nutzen.

Weiterführendes

  • Künstler*innen, die im Projekt/Vorfeld/Nachgang eine Rolle spielen könnten: Reena Spaulings, Neil Beloufa, Cécile B. Evans, Richard Prince, Andrea Fraser, …
  • Copy&Paste-Beispiele in Kunst & Popkultur: Pipilotti Rist: Ever is Over All (1997) & Beyonce: Hold up/lemonade (2016); Jana Sterbak: Flesh Dress for an Albino Anorexic (1987) & Lady Gaga: fleshdress (2010); Richard Prince: New Portraits (2015 & 2017)

Weitere Anschlüsse

  • Als Erweiterung der CopyPaste-Machine kann in der Reflexion auch der Themenkomplex »Sprache, Bild, Algorithmizität« behandelt werden: In welcher Beziehung stehen Text und Bild im Digitalen? Welche Textformen (Kommentar, Hashtag, Metatext, …) wirken sich wie auf Bildreferenzen aus?
  • Autor*innenschaft und kollektive Bildproduktion: Wer ist Autor*in welcher Bilder im Internet? Wie lässt sich kollektive Autor*innenschaft abbilden? Und wie kann kollektive Autor*innenschaft und Verantwortung zusammengedacht werden?
  • Arbeitsmaterialien als Akteur*innen im Kunstunterricht
  • Kreativitätstechniken/Lernbarkeit von Kreativität

Literatur

The CopyPaste-Machine – Betriebsanleitung

Dauer

60-75 min

Zielgruppen

Schüler*innen

Benötigtes Vorwissen

Die CopyPaste-Machine kann gut in einer Unterrichtsreihe oder einem Workshop über Copy&Paste-Strategien in Kunst und Popkultur eingesetzt werden. Entsprechende Beispiele aus den Feldern sind daher hilfreich als Vorarbeit oder Anschlüsse, aber nicht zwingend notwendig. Beispiele sind: Pipilotti Rist: Ever is Over All (1997) & Beyoncé: Hold up/Lemonade (2016); Jana Sterbak: Flesh Dress for an Albino Anorexic (1987) & Lady Gaga: fleshdress (2010); Richard Prince: New Portraits (2015 & 2017)

Erster Einsatzkontext

Köln/Institut für Kunst & Kunsttheorie/Tagung: Because Internet.; optimiert für einen Workshop im Fotomuseum Winterthur

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