Seit der ubiquitären Verbreitung von Digitaltechnologien spätestens durch das Internet ist Copy&Pasten eine wesentliche Strategie medialen Handelns. Der kreative Umgang mit bestehendem (Bild-)Material lässt sich nach Nicolas Bourriaud (2002) als Postproduction beschreiben. Künstler*innen stellen nicht nur Bilder her, sie benutzen, kopieren und verfremden bereits vorhandenes kulturelles Material. Mash-ups, Remixes, Memes etc. sind nicht nur Teil von Verfahren der medialen Produktion, sondern bedingen diese auch. Damit werden traditionelle Unterscheidungen zwischen Produktion und Rezeption, Kreation und Kopie in Frage gestellt. Bilder existieren nicht mehr als Einzelbilder (vgl. Schütze 2020); sie bestehen in und durch Referenzsysteme und konstruieren sich durch diese. Felix Stalder (2016) beschreibt Referentialität, die sich aus der Nutzung bestehenden kulturellen Materials für die eigene Produktion ergibt, als spezifische Form des Ausdrucks und des Austauschs in einer durch das Internet komplex gewordenen »Kultur der Digitalität«.
Der hier angedeutete Umgang mit vorhandenem Material lässt sich anhand der Praxis verschiedener Künstler*innen und Künstler*innenkollektive veranschaulichen. In historischer Dimension lässt sich z.B. auf Künstler*innen der Appropriation Art wie Richard Prince oder Andrea Fraser zurückgreifen. Mit der ubiquitären Verbreitung und Verfügbarkeit von Bildern seit dem Internet lässt sich jedoch eine um ein Vielfaches verdichtete und beschleunigte Qualität von Copy&Paste-Strategien feststellen, auch hinsichtlich einer Verflechtung von Kunst und Popkultur. Neil Beloufa beispielsweise verwendet für sein Ausstellungsprojekt Der Feind meines Feindes Materialien anderer Künstler*innen wie z.B. von Hito Steyerl – Zeitungsartikel, Videoschnipsel u.v.m. – und vereint diese im Ausstellungsraum. Die Sängerin Lady Gaga sorgt 2010 bei den MTV Video Music Awards für Furore, weil sie ein Kleid aus rohem Rindfleisch trägt. Damit referiert sie auf Jana Sterbaks Arbeit Flesh Dress for an Albino Anorexic von 1987. Fotos von Lady Gagas Auftritt zirkulieren wiederum im Internet und bieten Anlass für einen breiteren Umgang mit dem Bildmaterial. Und schon erwähnter Richard Prince nimmt 2015 Porträts von Menschen auf Instagram, die er, mit allen relevanten rahmenden Daten, großformatig abzieht und in den Kunstraum überführt. Auch im Bereich der Memekultur (vgl. Shifman 2014) lassen sich unzählige weitere Beispiele finden, die die allgegenwärtige Nutzung und Umnutzung von Bildern im Internet illustrieren. Memes – verstanden als Bilder, Videos und Handlungen, die sich in verschiedenen Versionen schnell im Internet verbreiten – können im Unterricht als Beispiele dienen, um Bildverbreitungsmechanismen im Internet aus der Popkultur thematisch zu vertiefen.
Die CopyPaste-Machine besteht aus zwei Arbeitsblättern, die auf A3 (und wenn möglich in Farbe) ausgedruckt werden sollen. Die erste Seite ist das konkrete Arbeitsmaterial, die zweite Seite ist eine Anleitung (Betriebsanleitung), in der die einzelnen Schritte aufgeführt sind. Die Schüler*innen können damit alle Arbeitsschritte eigenständig ausführen. Die Betriebsanleitung ist wiederverwendbar. Daher bietet es sich an, diese auf Karton aufzuziehen.
Hier nun der exemplarische Ablauf in Form einer Betriebsanleitung für die Lehrperson:
Der gesamte Prozess besteht aus zwei Arbeitsphasen. Deswegen wird die erste Seite (Arbeitsmaterial) je Gruppe 2x benötigt. Die Schüler*innen arbeiten in Kleingruppen (optimal sind 3er-Gruppen) zusammen.
Neben den Arbeitsblättern werden je Kleingruppe noch folgende Werkzeuge und Materialien benötigt:
Runde 1:
In der ersten Arbeitsphase soll sich jede*r Schüler*in einen Begriff ausdenken, der ihn/sie interessiert. Hilfestellung hierfür kann das vorherige Sammeln von Wörtern anhand einer allgemeinen Frage wie „Was habt ihr gestern erlebt, das ihr besonders interessant/spannend/schön/… fandet?“ bieten. Alle Begriffe der Schüler*innen einer Kleingruppe werden dann auf den Geräten der Schüler*innen in das Suchfeld der Google-Bildersuche (oder einer anderen Suchmaschine) eingegeben.
Jetzt beginnt das Experiment. Die Schüler*innen sehen nun, welche Bilder zu ihren gemeinsamen Begriffen angezeigt werden. Aus den Ergebnissen soll sich jede*r Einzelne ein Bild aussuchen und es auf dem Arbeitsblatt skizzieren. Hier geht es nicht um das zeichnerische Können der Schüler*innen, sondern um das Erfassen der grundlegenden Form. Es können schematische Zeichnungen entstehen, Konturen, Symbole oder auch Strichmännchen und Zeichenkolonnen (z.B. <3). Eine Hilfestellung könnte sein, die Bilder vom Device auf das Papier abzupausen, oder vorab eine Einheit zum Konturieren abzuhalten (vgl. Beitrag Helena Björk).
Nach diesem Schritt folgt eine Entscheidungsphase. Die Schüler*innen beschreiben sich ihre Zeichnungen gegenseitig und einigen sich auf die wichtigsten Elemente. Dazu formulieren und notieren sie so viele Hashtags wie möglich.
Im nächsten Schritt arbeiten die Schüler*innen einzeln weiter. Sie entscheiden sich jeweils für fünf ihrer Hashtags und geben diese wieder in das Suchfeld der Suchmaschine ein. Die Suchergebnisse werden vermutlich andere sein, als beim ersten Suchlauf. Auch hier ist eine Wahl für ein Bild zu treffen. Die Auswahl wird nun im entsprechenden Feld auf dem A4-Blatt skizziert, gepaust oder abgezeichnet. Die fertige Zeichnung wird wiederum mit Hashtags versehen.
Das Ergebnis dann gefaltet und in einen Briefumschlag gesteckt.
Runde 2 (optional):
In der zweiten Runde wird der Ablauf wiederholt. Die einzugebenden Begriffe sind nun aber nicht frei gewählt, sondern die Hashtags, die am Ende der ersten Runde entstanden sind.
Die CopyPaste-Machine ist prinzipiell in allen Schulstufen und Schulformen durchführbar. Der Klassen-/Gruppenstruktur entsprechend sind Anpassungen einzelner Schritte möglich. Hier folgen einige erste Anstöße:
Die CopyPaste-Machine ist flexibel einsetzbar. Sie kann ohne Vorkenntnisse und Einführung in die Thematik durchgeführt werden. Es empfiehlt sich folgender Ablauf:
Einstieg (ca. 15 Minuten):
Der Prozess beginnt mit einem kurzen thematischen Einstieg anhand von Beispielen zum Copy&Pasten aus Kunst und Popkultur. Der Einstieg kann auch als Quiz organisiert sein, oder/und mit einer offenen Fragerunde enden: Wer ist die Künstler*in? Wer hat was gemacht? Was genau ist das Werk? Wer der/die Autor*in?
Bilden von Arbeitsgruppen (ca. 5 Minuten):
Die Gruppe wird in Kleingruppen von 2-3 Personen aufgeteilt. Jede Arbeitsgruppe sollte dabei an einem Tisch sitzen. Die Gruppenwahl kann auf Basis der gewählten Begriffe stattfinden oder nach Neigung bezogen auf eines der Beispiele aus der Einführung.
Verteilen der Materialien (ca. 3 Minuten):
Jede Arbeitsgruppe erhält nun 2 Arbeitsblätter und eine Betriebsanleitung sowie Stifte, Schere, Klebestift, A4-Papier und einen Briefumschlag. Internetfähige Geräte sind hierbei notwendig.
Erarbeitungsphase (ca. 30 Minuten):
Die Arbeitsgruppen arbeiten nun eigenständig an der CopyPaste-Machine. In der Betriebsanleitung sind die einzelnen Schritte erklärt. Bei jüngeren Schüler*innen oder Teilnehmer*innen ist es ratsam, die Betriebsanleitung vorher einmal gemeinsam durchzugehen (ca. 5 Minuten) oder die Phasen im ersten Durchgang einzeln anzumoderieren.
Abschluss und Reflexion (ca. 15 Minuten/flexibel):
Die Arbeitsergebnisse der CopyPaste-Machine werden am Ende in Umschläge gesteckt und bleiben damit unsichtbar. Zum Abschluss können einzelne Ergebnisse gezeigt werden.
Zur Ergebnissicherung kann am Ende über die Prozesse innerhalb der einzelnen Gruppen gesprochen werden. Zum Beispiel: Wovon sind die einzelnen Gruppen ausgegangen? Was waren ihre Ergebnisse? Was haben sie beobachtet? Gab es etwas, das unerwartet war? Womit haben sie gerechnet und womit nicht? Welche Probleme sind aufgetaucht?
Die CopyPaste-Machine kann gut in einer Unterrichtsreihe oder einem Workshop über Copy&Paste-Strategien in Kunst und Popkultur eingesetzt werden. Entsprechende Beispiele aus den Feldern sind daher hilfreich als Vorarbeit oder Anschlüsse, aber nicht zwingend notwendig. Beispiele sind: Pipilotti Rist: Ever is Over All (1997) & Beyoncé: Hold up/Lemonade (2016); Jana Sterbak: Flesh Dress for an Albino Anorexic (1987) & Lady Gaga: fleshdress (2010); Richard Prince: New Portraits (2015 & 2017)
Köln/Institut für Kunst & Kunsttheorie/Tagung: Because Internet.; optimiert für einen Workshop im Fotomuseum Winterthur