Zukünftige Landschaften. Ein Stop-Motion Animationsfilm

Dieser Beitrag thematisiert fiktive Zukunftslandschaften auf der Erde. Teilnehmende des Projektes stellen sich vor, wie eine Naturlandschaft in 200 Jahren aussehen könnte. Sie denken sich eine kurze Geschichte in dieser fiktiven, zukünftigen Landschaft aus und entwickeln daraus einen Legetrick-Animationsfilm (‚Cut-Out‘) mit der App Stop Motion.

Dieser Beitrag ist Teil des Bundles „Digitale Bilder in Bewegung", herausgegeben von Sophie Lingg und Helena Schmidt.

Wie wird die Natur in Zeiten des Klimawandels und des Anthropozäns[2] visuell dargestellt? Die Klimakrise und deren Vermittlung sind geprägt von Abbildungen von Naturlandschaften in den Medien und umfassen diverse Formen, wie etwa dokumentarische Darstellungen, utopische Visionen oder hochauflösende Satellitenbilder (vgl. Demos 2017). Einerseits bestaunen wir Fotografien auf Instagram-Urlaubsaccounts wie myvalleyverzasca oder hochästhetisierte Aufnahmen auf Stockfotografie-Portalen. Andererseits erschaudern wir bei Darstellungen von zerstörter Natur, wie bei den Fotografien brennender Wälder in Griechenland im Sommer 2021. Auch Fotograf*innen wie Edward Burtinsky (In the Wake of Progress 2022) zeigen zerstörte Natur in großformatigen Drohnen- und Weitwinkelaufnahmen und ästhetisieren dadurch die Katastrophe. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik bieten z. B. die Künstler Julian Charrière mit der Arbeit First Light (2016) oder Peter Mettler mit seinem Film Petropolis (2009), in welchem in hypnotischen Kameraflügen die von Menschen zerstörte Natur gezeigt wird. Ob katastrophal oder übertrieben ästhetisch – wie können wir lernen, diese Bilder zu lesen und zu erkennen, dass etwa die Fotografie eines schwimmenden Eisbergs vor der Küste Neufundlands nicht nur ein faszinierendes Naturereignis und Fotomotiv darstellt, sondern dass diverse klimatische Zusammenhänge und Veränderungen zu dieser visuellen Manifestation geführt haben? Die einzelnen Landschaftsfotografien erfordern eine spezifische Kontextualisierung im Feld der Klimakrise. Der Schwerpunkt dieser Unterrichtseinheit liegt darin, sich durch fiktive Geschichten den visuellen Bildwelten des Klimawandels im Internet kritisch zu nähern (vgl. Demos 2017), was mittels erlernter Bildkompetenzen zu einem zentralen Vermittlungsmoment über den Klimawandel führen kann (vgl. Nöthen 2018). Im Zusammenhang mit BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) als Querschnittsthema im Lehrplan 21 der Schweiz zeigt sich, dass das künstlerische Fach diese Bildkompetenzen lehren, vernetztes Denken anregen und sich dieser Thematik sowohl inhaltlich als auch gestalterisch nähern kann.

[1] In den letzten Jahren wurde die Betrachtung der Natur als anthropogen veränderter Raum als zentrales Thema in sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskursen verhandelt (vgl. Serres 1990; Morton 2013; Böhme 2018). Vielfach wird versucht, die Dichotomie Natur/Kultur zu überwinden und Natur nicht losgelöst vom Menschen, sondern als menschengemachten und veränderten Raum zu betrachten (vgl. Mackert/Petritsch 2016). T. J. Demos warnt mit dem Begriff des Post-Natürlichen vor einer Betrachtungsweise von Natur als extern und abgeschlossen und betont, dass alle lebenden und nicht-lebenden Wesen in ein Geflecht aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen eingebettet sind (vgl. Demos 2016).
[2] Der Begriff Anthropozän wurde im Jahr 2000 von den Chemikern und Biologen Paul Crutzen und Eugene Stoermer vorgeschlagen, um das aktuelle geologische Zeitalter zu beschreiben, in welchem der Mensch mit seinen Aktivitäten zur zentralen Triebkraft für die geologischen Prozesse auf der Erde verantwortlich ist (vgl. Davies 2016).

 

Eadweard Muybridge, ‘Bouquet’, Galloping, 1887, Rijksmuseum, Amsterdam.

 

Thaumatrop, 1860, Dewitz, von Nekes (2002): Ich sehe was, was du nicht siehst! Sehmaschinen und Bilderwelten. Die Sammlung Werner Nekes, Göttingen: Steidl, S. 348; Zoetrop, 1912, Rektor der TU Dresden (2015): Sammlungen und Kunstbesitz, Dresden: Technische Universität Dresden, S. 113; Kineograph, 1886, Online: [06.06.2022].

Hauptauftrag:
Erfinden und entwickeln Sie eine kurze Geschichte zur Zukunft der Natur und setzten Sie diese mithilfe der App Stop-Motion in einem Animationsfilm um.

Vorbereitung:
S*S: Smartphones und Ladekabel mitbringen und die App Stop-Motion herunterladen und ausprobieren.

LP: Die App Stop-Motion herunterladen und ausprobieren. Legetrickbühnen, Hintergründe, Legetrickfiguren und Aufträge aus Papier ausschneiden und bereitstellen, graues DIN-A3 Papier (Hintergründe) und Stative bereitlegen.

A1 Vorübung:
Bilden Sie 2er oder 3er Teams und führen Sie mehrere kurze Legetrickanimationen mit dem vorbereiteten Übungsmaterial durch. Kurze Aufträge in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sowie Legetrickfiguren aus bedrucktem Papier liegen bereit.

A2 Mindmap:
Was ist die Zukunft der Natur? Ausgehend von dieser Frage soll in Team- bzw. Trioarbeit ein Mindmap zu einer Geschichte in der zukünftigen Natur erschaffen werden. Sammeln Sie vielseitige Ideen, Kurzgeschichten und Handlungen und halten Sie diese mit Filzstiften auf einem DIN A3 Papier fest.

A3 Storyboard:
Konkretisieren, skizzieren und beschreiben Sie eine ausgewählte Kurzgeschichte mithilfe der Storyboard-Vorlagen und planen Sie dadurch Ihren Film.

A4 Collage:
Sammeln Sie digital und analog passendes Collagematerial für die Entwicklung der Figur (Mensch, Pflanze, Tier, Fantasiewesen). Entscheiden Sie sich aufgrund des Szenarios und der Figur für einen Hintergrund als Landschaft. Sie können auf Stockfotografien der Open Source Plattform Unsplash oder auf geschützte Plattformen (istock) zurückgreifen (inkl. Wasserzeichen).

A5 Umsetzung Legetrickanimation:
Setzen Sie die Geschichte mithilfe der App Stop-Motion in einem Legetrick-Animationsfilm um. Der Film soll 30 Sekunden dauern und mindestens 12 Bilder pro Sekunde (FPS – frames per second) aufweisen.

Durch die Teamarbeit könnten sich die Gruppenmitglieder aufgrund ihrer unterschiedlichen Expertisen ergänzen; weniger motorisch geschickte Personen können durch ihr Vorwissen oder ihre Freude an der Recherche zum Thema Klimawandel oder durch ihre technischen Fähigkeiten wichtige Gruppenmitglieder sein, wohingegen andere filigrane Elemente für die Legetrick-Animation herstellen können.

Einstieg und Animationsübungen (90′)
Das Projekt wird mit einem kurzen Input (Abb. 7–8) durch die LP zur Entstehung der Legetrickanimation sowie zur Verbindung von analoger Legetricktechnik und digitaler Anwendung auf dem Smartphone gestartet. Um grundlegende Animationsprinzipien zu verstehen, beginnen die Teilnehmenden in 2er und 3er-Teams mit Animationsübungen mithilfe vorbereiteter Cut-Outs sowie der App Stop-Motion.

Mindmap (90′)
In der zweiten Sequenz werden die entstandenen Kurzfilme gemeinsam angeschaut und besprochen. Die Teams entwickeln ausgehend von der Frage Was ist die Zukunft der Natur? mithilfe von Mindmaps kurze Geschichten und Handlungen.

Material: Filzstifte + Papier

Storyboard (90–120′)
Die LP macht einen kurzen Input zur Verwendung von Storyboards. Die Zukunftsszenarien werden in Teamarbeit konkretisiert, mit der LP besprochen und auf ein analoges Storyboard übertragen.

Visualisierung und Collage (120′)
Die 4. und 5. Sequenz dienen der visuellen Umsetzung der Geschichte und der Thematisierung von Bildwelten des Anthropozäns. Mit einer Diskussion zu den gewählten Hintergründen wird versucht, eine kritisch-reflexive Haltung bezüglich der Landschaftsdarstellungen im Internet zu erlangen. Mit eigenen Devices sowie in bereitgelegten Magazinen wird nach Abbildungen für die Umsetzung der Storyboards gesucht, diese werden ausgedruckt und die Zukunftsszenarios werden analog collagiert.

Legetrick-Animationsfilm (4 x 90′)
Die folgenden 4 x 90 Min. dienen der Umsetzung des Legetrick-Animationsfilms. Der Raum wird abgedunkelt und die Legetrickstationen mit Beleuchtung, Stativen und Smartphones eingerichtet. Die Teams teilen sich die Arbeit auf und werden von der Lehrperson beraten. Zum Abschluss werden die entstandenen Filme gemeinsam angeschaut und jede*r Schüler*in schreibt eine einzelne Filmkritik zu einem fremden Film.

  • Computer/Tablets
  • Papier DIN A3, Bleistifte, Filzstifte
  • Smartphones, App Stop-Motion, Stative, Belichtung
  • Hintergrundvorlagen, Collagematerial, Scheren, Klammern, Leimstifte
  • Legetrickbühnen, Klebeband
  • Drucker
  • Schüler*innenarbeit, GYM 1, 2021, Zukunftslandschaf(f)(t)en, Screenshot eines Stop-Motion Animationsfilmes.

  • Schüler*innenarbeit, GYM 1, 2021, Zukunftslandschaf(f)(t)en, Screenshot eines Stop-Motion Animationsfilmes.

  • Schüler*innenarbeit, GYM 1, 2021, Zukunftslandschaf(f)(t)en, Screenshot eines Stop-Motion Animationsfilmes.

  • Schüler*innenarbeit, GYM 1, 2021, Zukunftslandschaf(f)(t)en, Screenshot eines Stop-Motion Animationsfilmes.

Hinweise

Literatur

  • Billmayer, Franz (2007): Kunst ist der Sonderfall – Bildunterricht statt Kunstunterricht. München: Kopaed.
  • Böhme, Ökologie, Ästhetik und Technik in der dritten Natur: 2018
  • Davies, Jeremy (2016): The Birth of the Anthropocene. Oakland: University of California Press.
  • Demos, T. J. (2016): Decolonizing Nature: Contemporary Art and the Politics of Ecology. Berlin: Sternberg Press.
  • Demos, T. J. (2017): Against the Anthropocene. Berlin: Sternberg Press.
  • Latour, Bruno (2018): Down to Earth: Politics in the New Climatic Regime. Cambridge: Polity Press.
  • Mackert, Gabriele/Petritsch, Paul (2016): Mensch macht Natur. Berlin: De Gruyter.
  • Nöthen, Eva (2018): Spiegelbilder des Klimawandels. Die Fotografie als Medium in der Umweltbildung. Bielefeld: Transcript Verlag.
  • Serres, Le Contrat naturel: 1990 Morton, Ecology Without Nature: 2013

Kontextualisierung und künstlerische Positionen bezüglich fiktiver Zukunftsvisionen

  • Als historischer Hintergrund für die visuelle Darstellung einer utopischen Landschaft diente der Animationsfilm Fantastic Planet von René Laloux (1973), welcher ein Leben auf einem zukünftigen Planeten aufzeigt.
  • Arbeiten von Sam Lubicz, Cao Fei (Live in RMB City) oder Jon Rafman (You are standing in an open field) dienen der fiktiv-utopischen Inhaltsebene des Projektes als Grundlage.

Max. Teilnehmer

24

Dauer

10 x 90 min

Benötigtes Vorwissen

Gewisse Deutsch- oder Englischkenntnisse, Umgang mit einer Smartphone-App

Erster Einsatzkontext

Gymnasium Burgdorf, Kanton Bern, Schweiz, Fachpraktikum

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